Internet made in Germany – warum das “Recht auf schnelles Internet” nicht so gut ist wie es klingt

Deutschland verschläft die Digitalisiserung! Internetentwicklungsland Deutschland! Kein Internet auf dem Land! Diese und andere Nachrichten dominieren die Medienlandschaft. Verschlafen, dass erinnert an Dornröschenschlaf. An Gemütlichkeit und an wohlig-warmes: “Alles bleibt, wie es ist”.
Angesichts sich hinziehender Zustände ist diese Formulierung bestenfalls naiv. Eher handelt es sich hier um die Verharmlosung einer Politik, die mit offenen Augen auf eine Klippe zuläuft.
Ebenso regelmäßig kommt dann der halbherzige Vorstoß Regierender, doch mal etwas auf das Gas zu drücken. Dennoch ist keine Geschwindigkeit im Neuland Internet zu beobachten.
Scheuers Gesellschaft zum Schließen von Funklöchern, aktuelle Pläne, einen Persozwang zur Anmeldung bei Chatplattformen durchzuführen oder absurde Haftungsregeln beim Filesharing und WLAN-Betreiben – die Liste an halb garen Ergebnissen dieser Holzhammervorstöße sind lang.

Dabei könnte es auch anders gehen: Schon 1981 wollte Bundeskanzler Helmut Schmidt den Glasfaserausbau. Schlussendlich wurden diese Pläne zugunsten der Kabelfernseh-Lobby auf Eis gelegt. Heute sind 4.7 % der Anschlüsse in Deutschland Glasfaser. Internet “made in Germany” bleibt schlecht und teuer. Ein neuer Anlauf der Bundesregierung möchte das ändern, mit einem gesetzlich verankerten “Recht auf schnelles Internet”. Doch statt einem Ende des verbraucherfeindlichen Kuschelkurses mit Anbietenden wie Telekom und Vodafone oder den Ausbau gar selbst in staatliche Hand zu nehmen, ist hier mal wieder ein Gesetzestext entstanden, dem jegliche Radikalität genommen wurde. Die zu ermittelnde Geschwindigkeit wird allem Anschein nach unter 20 Mbit liegen. So viel Bandbreite wäre z. B. für einen hochauflösenden Netflix-Stream notwendig. Das mag für manch eine Person auf dem Land tatsächlich eine Verbesserung sein – aber langfristiger Ausbau sieht anders aus. Schon bei zwei Kindern, die gleichzeitig einer digitalen Unterrichtsstunde folgen, wird es eher nichts mit dem Homeoffice. Anstatt strukturschwache Regionen attraktiv für Gewerbetreibende und Zuziehende zu gestalten, wird sich hier von SPD und CDU für wenig auf die Schulter geklopft.

Als politischer Jugendverband schließen wir uns hier der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, an: „Wir sollten im Downstream nicht weniger als 100 Megabit pro Sekunde als Mindestlevel überall in Deutschland festlegen und 50 Mbit im Upstream, die Werte sollten in den nächsten Jahren steigen.“

Immerhin: Die Kosten für Verletzungen dieser viel zu niedrigen Mindestbandbreite sollen von den Anbietern getragen werden. Dennoch: zu wenig, zu spät. Die Bundesregierung erinnert an Studierende, die fünf Minuten nach Beginn einer vollen Stunde lieber noch mal schlafen gehen, um pünktlich zur nächsten vollen Stunde durchzustarten.

Von der Absurdität der Märkte

Warum es eigentlich kein Grund zur Freude ist, wenn Hedgefonds Milliarden verlieren

In den letzten Zügen des Januars im Jahr 2021 ist die Aktie des Spielehändlers GameStop im Höhenflug. Nichts, was die Wallstreet nicht schon hunderte Male gesehen hätte. Dennoch lohnt es sich hier einmal genauer hinzusehen. Übliche Ursachen für den rasanten Anstieg einer Aktie sind Dinge wie gute Quartalszahlen, Konzernübernahmen mit massiven Entlassungen, Erfolgsversprechungen durch CEOs oder Misserfolge der Konkurrenz.
Was brachte die GameStop Aktie also dazu, von knapp 30$ am Monatsanfang auf 350$ zu schnellen? Die Ursache liegt bei der Internetcommunity r/WallStreetBets. Ein Subreddit für Kleinanleger auf Reddit. Doch um zu verstehen, was genau hier passiert ist, ist es wichtig, das Konzept von sog. „short-squeezes“ zu verstehen. Die Absurdität dieser lässt sich anhand eines Beispiels leicht nachvollziehen:

Short Squeeze: Hochtreiben von Preisen unter der Annahme, dass eine Aktie geshortet ist, diese später also zu beliebigen Preisen gekauft werden wird

Tanja denkt, dass der Preis für Fußbälle sinken wird. Um davon zu profitieren, beschließt sie, einen Fußball zum aktuellen Preis von 30€ zu verkaufen und ihn sich später, bei  20€, wieder zu kaufen. Um noch mehr zu profitieren, leiht sie sich auch noch Fußbälle bei ihrem Verein und verspricht sie später wieder zurückzugeben.
Das Problem bei solchen Wetten auf sinkende Kurse (shorts) ist, dass Tanja verpflichtet ist die Bälle wieder zurückzukaufen, auch wenn der Wert am Ende gar nicht sinkt, sondern steigt. Schließlich waren die Bälle ja nur geliehen. In diesem Fall würde sie Verlust machen
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Und hier kommt r/WallStreetBets ins Spiel. Eine Internetcommunity für Börseninteressierte. Ein wilder Mix aus Memes, Screenshots von Verlusten, satirischen Investmenttipps, Menschen, die Börsenkurse aus Chickennuggets lesen, Millenials eben. Also die Generation, die sich noch an die große Finanzkriese von 2008 erinnert, als die Wohnungsmarktblase geplatzt ist, Millionen ihren Job verloren haben und Unzählige aufgrund von kapitalistischer Gier ihre Existenz verloren haben. Konsequenzen für die Banken, Hedgefonds und Kapitalbesitzende, die dies verursacht hatten blieben meist aus.

Shorten: Wetten auf Kursverlust durch das Verkaufen und spätere wieder Einkaufen von (geliehenen) Aktien

Vor etwa einer Woche wurden einige Nutzende auf Hedgefonds aufmerksam, die vermehrt die GameStop Aktie shorteten, also durch Leihen und Verkaufen, auf sinkende Kurse wetteten. Dadurch angeregt, entstand ein Gegentrend von Menschen, die die GameStop Aktie kauften, also auf steigende Kurse setzten. Es wird ausgenutzt, dass die Aktien aus den Shorts irgendwann wieder zurückgekauft werden müssen, egal zu welchem Preis, schließlich waren sie ja nur „geliehen“. Für Spekulierende, die auf fallende Kurse gewettet haben natürlich ein Alptraum. Denn sie müssen dann, zu hohen Preisen, Aktien von den Menschen, die den Preis durch ihr Aufkaufen in die Höhe getrieben haben, zurückkaufen. Das ist ein sogenannter „Short-Squeeze“.

Hedgefonds: Gemeinschaften von Anlegern, die in einen gemeinsamen Topf einzahlen, aus dem risikoreiche Investitionen getätigt werden

Tritt diese Situation zwischen Großkonzernen oder Hedgefonds auf, wird sich meist auf erträgliche Konsequenzen oder Gefallen geeinigt. Denn irgendwie sind ja alle vor allem am  profitablen Status quo interessiert. Nicht zu letzt, weil oft sogar mehr Aktien verliehen werden, als eigentlich existieren. Eine Praxis, die seit der Finanzkriese 2008 eigentlich illegal ist. Nur durchgesetzt werden solche Regeln eben nicht. Wieso auch, wenn es am Ende Altersvorsorgen und College-Funds statt bevor Firmen an den Kragen geht?

Nicht so mit der GameStop Aktie. Aufgrund der Natur von Onlinecommunities, kann hier nicht verhandelt werden, der Verlust ist somit praktisch unbeschränkbar. Einer der größten involvierten Hedgefunds, Melvin Capital, hat gegenüber einer Nachrichtenagentur behauptet, bereits genügend Aktien zurückzukaufen. Da aber immer noch irrsinnige 138% der GameStop Aktie verkauft sind, erscheint es wahrscheinlich, dass das einfach eine Falschnachricht ist, um den Kurs wieder zu senken.

Für viele der involvierten Kaufenden von r/WallStreetBets geht es nicht ausschließlich um den Gewinn, sondern auch darum, dem Großkapital und Wallstreet Eliten eins auszuwischen. Es ist auch interessant zu beobachten, wie Medien sich vermehrt auf die Seite des Geldes schlagen und die Privatinvestierenden als rücksichtslos, planlos oder sogar Verbrecher bezeichnen, die sich der Marktmanipulation schuldig machen. Börsen erschweren gerade den Zugang zum Handel, um mehr Schaden von shorten fernzuhalten. genau mit diesen Praktiken haben sich Großkapitalbesitzende seit jeher auf Kosten von uns allen bereichert und den Aktienmarkt als ihr Privates Casino betrachtet, ohne am Ende die Rechnung zu bezahlen.

Handelt es sich bei diesem feuchten Traum aller Neoliberalen also um ausgleichende Gerechtigkeit in Form der unsichtbaren Hand des Marktes? Natürlich ist ein wenig Schadenfreude erlaubt, wenn Finanzhaie leiden. Zu bedenken ist, dass all diese Vorgänge unabhängig von der realen Welt passiert sind. Dennoch tragen am Ende echte Menschen die Konsequenzen. Arbeitende werden am Ende entlassen, wenn nun an anderer Stelle Geld gespart und aus Firmen gepresst werden muss. Sozialleistungen leiden zuerst, wenn wieder eine Bank gerettet werden muss. Ist es nicht dystopisch, wenn sich eine Generation gezwungen ist, an Börsen zu spekulieren, um eine ihnen gestohlene Zukunft zurückzugewinnen?